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Wie steht es um die Digitalisierung von HR?

von Gabriele Kaier, 12.01.2021

Wie steht es um die digitale Transformation von Human Resource Management hierzulande? Das haben wir Stefan Scheller, er betreibt mit Persoblogger.de eines der bekanntesten HR-Portale im deutschsprachigen Raum, in unserem aktuellen Experteninterview gefragt. Stefan Scheller ist bekannt dafür, HR-Themen kritisch zu hinterfragen: Wo sieht er spannende Einsatzbereiche von Technologien? Wo werden durch HR bereits Daten systematisch erhoben? Was sind seiner Meinung nach die Gründe dafür, warum manche Bereiche noch wenig digitalisiert sind? Stefan Scheller gibt uns in diesem Blogbeitrag einen interessanten Einblick in den Status-Quo der Digitalisierung im Personalwesen.

Digital HR – Zukuftsmusik oder bereits Realität?

Es gibt für viele Bereiche der HR-Arbeit – von Employer-Branding, Personalmarketing und Recruiting, über Onboarding, Mitarbeiterbindung, Produktivität, Leadership bis hin zur Kündigung – bereits digitale Lösungen. Die Gründe und Vorteile, warum diese im Unternehmen eingesetzt werden sollten, sind vielfältig, das geht von der Steigerung der Produktivität des Personalmanagements bis hin zu spannenden Möglichkeiten für eine innovative HR-Arbeit. Einige smarte HRM-Lösungen klingen wie Zukunftsmusik, wären jedoch bereits heute verfügbar. Was es hier für spannende Einsatzmöglichkeiten gäbe, warum die meisten Tools bei uns, im westeuropäischen Kulturraum, noch kaum Anwendung finden und was die Gründe dafür sein könnten, das hat uns Stefan Scheller im folgenden Interview erzählt.

Glauben Sie, kann HR durch den Einsatz von Technologien professioneller, effektiver und effizienter betrieben werden?

Definitiv. Es gibt zahlreiche Ansätze, mit denen HR-Technologien dabei helfen können, einzelne Prozesse quer durch den Employee-Life-Cycle zu optimieren.

Welche Einsatzbereiche für smarte HR-Lösungen finden Sie als besonders spannend?

Besonders spannend finde ich beispielsweise die noch bei Weitem nicht ausgeschöpften Potentiale von eignungsdiagnostischen Verfahren unter Einsatz von künstlicher Intelligenz. Wir stehen dabei noch in vielerlei Hinsicht am Anfang. Zum einen ist die Akzeptanz entsprechender Verfahren in Deutschland noch immer gering. Stattdessen setzen wir auf klassische, häufig stark subjektiv verzerrte, weil unstrukturierte Interviews. Zum anderen steckt auch die Technologie bislang in den Kinderschuhen. Wir trauen dieser infolgedessen eben auch nicht viel zu, was das Analysieren und Verstehen des Menschen in seiner Gesamtheit angeht. Allerdings dürfte sich die Entwicklung von People Analytics exponentiell beschleunigen. Genau das jedoch macht uns als Gesellschaft gleichermaßen Angst und verhindert damit sinnvolle Ansätze bereits in einem frühen Stadium.

Ein anderes Themenfeld sind Automatisierungen von Prozessschritten, Selfservices und intelligente Chatbots. Letztere sind leider bisher ebenfalls nur rudimentär ausgereift, bergen aber großes Potential in der Zukunft.

Müssen Personaler fürchten, dass ihre Arbeitsplätze gefährdet sind und sie durch digitale Lösungen ersetzt werden?

Im großen Stile Angst haben braucht in den nächsten Jahren sicherlich kein Personaler. Zumindest nicht vor technischen Lösungen. Vielmehr steht in vielen Unternehmen HR generell unter Zugzwang, was den eigenen Beitrag zur Wertschöpfung der Organisation angeht. Hier wird sich vieles verändern. Und wenn HR sich endlich als aktiver Unterstützer der Digitalisierung und Transformation des Unternehmens betrachtet, wären die Chancen auf eine echte Partnerschaft mit dem Business eigentlich nie besser als jetzt. Die Corona-Krise hat die Bedeutung der Personaler sogar deutlich verstärkt.

Wie steht es um die Digitalisierung der HR-Abteilungen in der Realität?

Welche HRM-Lösungen sind bei den meisten HR-Abteilungen bereits vorhanden?

Der Markt an HRM-Lösungen ist riesig und umfasst eine Vielzahl von Systemen. Hier mag ich nur ein paar wenige nennen, z.B. Personalmanagement-Systeme, Zeiterfassungssoftware, Lohnabrechnungssoftware. Die Liste ginge vermutlich über die gesamte Seite. In erster Linie dienen diese Systeme der Erfüllung der Basis-Prozesse von HR. Bewerbermanagementsysteme als Beispiel, würden mit Blick auf die DSGVO zwar nahezu alle Unternehmen auch bei wenigen Einstellungen im Jahr benötigen. Allerdings sieht die Praxis hier komplett anders aus. Eines der Haupt-Tools im HR-Bereich ist sicherlich tatsächlich Excel. Sei es zur Datenhaltung als Personalmanagementsystem, zur Zeiterfassung oder auch im Bewerbungsprozess. Einzig bei der Lohn- und Gehaltsabrechnung kommen nahezu immer professionelle Softwarelösungen zum Einsatz wie beispielsweise DATEV.

Wo wäre der Einsatz aber, Ihrer Meinung nach, wichtig? Und was könnten die Gründe dafür sein, dass diese Bereiche noch nicht digitalisiert sind?

Einer der Hauptgründe, warum HR viele Bereiche noch nicht durch-digitalisiert hat, ist aus meiner Sicht zum einen die Unwissenheit, was bereits alles möglich ist, dicht gefolgt von Kostenaspekten (beispielsweise, wenn nur eine geringe Fallzahl einen Prozess durchläuft). Aber es besteht auch eine zu hohe Beharrlichkeit, was bisherige (Behelfs)Lösungen angeht. Echte Veränderungswilligkeit entsteht oft erst, wenn Ereignisse wie die Corona-Pandemie auftreten oder anderweitig ein Handlungsdruck entsteht.

An welcher Stelle werden im Unternehmen durch HR bereits systematisch Daten erhoben und wo noch kaum?

Systematisch werden vor allem Stammdaten von Bewerbern bzw. Beschäftigten erhoben. Das können wir Personaler gut. Hierher kommt auch der angestaubt anmutende Begriff „Personalverwaltung“. Kaum Daten erhoben werden hingegen im Bereich Kompetenzen, Skills sowie Performance. Die rudimentär vorhandenen Daten können einer modernen Personalentwicklung dabei kaum gerecht werden.

Was sind die Gründe dafür und wie könnten diese Hürden genommen werden?

Hier habe ich eine klare Meinung: Die Themen Kompetenzen, Skills und Performance gehen ans „Eingemachte“. Wir Menschen im nicht-angloamerikanischen westeuropäischen Kulturraum lassen uns nicht gerne „vermessen“ oder „bewerten“. Zudem war klassische Personalentwicklung oft eher eine Verhinderung von Entwicklung, weil stark defizit-orientiert. Alles das, was als „Potential“ (das euphemistische Wort für „Schwäche“) erkannt wurde, musste über entsprechende Weiterbildung, sprich Schulung, Workshop, Coaching et cetera optimiert werden. Mit Blick auf selbstgesteuertes lebenslanges Lernen im digitalen Kontext, sind solche Denk- und Verhaltensmuster kontraproduktiv. Aber die Angst vor dem „Vermessen-Werden“ sitzt sehr tief.

Genommen werden könnten diese Hürden dann, wenn Weiterbildung und Lernen systematisch von der Performance-Messung getrennt würde. Wenn es moderne Lernanreize (z.B. Gamification) gäbe, die stark an intrinsische Motivation anknüpfen und eben nicht aus einer „Drohung“ heraus entstehen („Wenn Du nicht XYZ lernst, kannst Du nicht Führungskraft werden!“). Hier ist noch ein weiter Weg zu gehen.

Personaler gehen in täglichen operativen Tätigkeiten unter und können wichtige strategische Arbeiten nicht angehen. Das bestätigt auch eine aktuelle HR-Studie der Universität Halle-Wittenberg. Lässt sich das mit dem Einsatz von HR-Tools lösen oder bedarf es hier eines anderen Ansatzes?

Zu dieser HR-Studie 2020 hatte ich einen Artikel geschrieben und auch eine Folge meines Podcast Klartext HR mit den Studien-Machern aufgezeichnet. HR steckt tatsächlich im klassischen Holzfäller-Dilemma: Wenn die Axt nicht geschärft wird, ist man entsprechend länger mit dem Bäumefällen beschäftigt, so dass eben keine Axtschärfung zeitlich möglich ist. Diesem Teufelskreis kann HR nur dann entkommen, wenn die HR-IT zur Chefsache wird. Um bis dahin zu kommen, hilft nur Aufklärung – was übrigens auch eines unserer Ziele der HR-Blogger-Community ist.

Haben Personaler, Ihrer Meinung nach, das nötige digitale Mindset für digital HR?

Das Mindset ist etwas, das uns gerade in vielerlei Kontext umtreibt. Begriffe wie „Growth-Mindset“, „agile Mindset“ oder eben auch „digital Mindset“ bestimmen die Medien. Die Frage ist doch, was sich zuerst entwickeln kann: Das Mindset oder die Möglichkeit, sich überhaupt mit diesen Themen systematisch zu beschäftigten (siehe oben). Vermutlich ist das auch ein Generationen-Thema. Wenn ich schon seit 25 Jahren in gleicher Weise Personalarbeit, oder sagen wir mal Recruiting im Speziellen, mache, wundert es mich nicht, dass People-Analytics generell kritisch gesehen wird. Denn von dieser Seite hört man häufig sehr selbstüberschätzende Aussagen wie „Potential erkenne ich schon am ersten Auftreten eines Bewerbers“ oder „Meine Intuition hat mich noch nie getäuscht“. Mit Blick auf statistische Wahrscheinlichkeiten oder auch wissenschaftliche Erkenntnisse speziell in diesem Bereich dürfen Sie getrost davon ausgehen, dass eine Menge Optimierungsmöglichkeiten über Systematik, wissenschaftlich valide Methoden sowie HR-IT möglich wären.

Was also wäre ein Ansatz zur Optimierung? Wieder einmal beginnt es vermutlich mit konsequenter Aufklärung, dazu Praxisbeispiele, Good-Cases und eine saubere wissenschaftliche Begleitung.

Zur Person

Stefan Scheller betreibt auf Persoblogger.de eines der bekanntesten HR-Portale im deutschsprachigen Raum und bloggt kritisch zu den Themen Employer-Branding, Recruiting, Digitalisierung von HR und New-Work. Auf seiner Seite finden sich zahlreiche Mehrwert-Services, wie z.B. das HR-Studien- und Infografiken Download-Portal, ein großer HR-Eventkalender, Stellenanzeigen sowie Übersichten zu den wichtigsten Blogs und Podcasts der Szene. In seinem Hauptberuf verantwortet er die Arbeitgeberkommunikation der DATEV eG in Nürnberg.

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