Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in Deutschland – Was Sie wissen müssen!
von Anna Eisner-Kollmann, 29.09.2022
Mit 13.09. wurde die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in Deutschland spruchreif. Für einige kam der Entschluss plötzlich, obwohl die Grundlage dazu bereits 2019 vom EuGH geschaffen wurde. Ab wann brauchen Unternehmen eine Zeiterfassung? Drohen die Rückkehr der Stechuhr und das Ende der Vertrauensarbeitszeit? Ist die Arbeitszeitaufzeichnung ein Fall fürs Gericht? Verschaffen Sie sich einen Überblick!

Ab wann gilt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung?
Die Pflicht Aufzeichnung der Arbeitszeit besteht laut Bundesarbeitsgericht seit Mitte September. Bislang fehlt es jedoch nicht an Diskussionen und Missverständnissen rund um das Thema, denn Vorgaben zur Umsetzung fehlen, was wiederum mehr Gestaltungsspielraum bietet. Wir haben für Sie die wichtigsten Punkte rund um das Thema Pflicht zur Arbeitszeiterfassung recherchiert.
Inhalt
- Das BAG-Urteil 2022
- Pflicht zur Zeiterfassung kommt nicht überraschend
- Wie geht es jetzt weiter?
- Was muss in Zukunft erfasst werden?
- Wer muss keine Arbeitszeiterfassung machen?
- Arbeitszeiterfassung als Ende der Vertrauensarbeitszeit?
- Weitere Irrtümer rund um das BAG-Urteil
- Was Sie noch beachten müssen
Das BAG-Urteil 2022
Mit dem Urteil des BAG besteht in Deutschland seit Mitte September eine Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit. Als Arbeitszeit bezeichnet man den Zeitraum, in welchem Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ihre Arbeitsleistungen erbringen bzw. die Leistungsfähigkeit dem Arbeitgebenden zur Verfügung stellen.
Am 13.09.2022 veröffentlichte das Bundesarbeitsgericht eine Pressemitteilung. Dort heißt es bereits im ersten Satz: „Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.“ Nun ist dieser Beschluss Gegenstand hitziger Diskussionen.
Wie kam es überhaupt dazu? Auslöser war ein Rechtsstreit zwischen einem Arbeitgeber und dem Betriebsrat. Streitpunkt: Hat die Vertretung der Arbeitnehmenden ein Initiativrecht bei der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung? Laut Bundesarbeitsgericht besteht dieses Mitbestimmungsrecht nicht, weil Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber generell verpflichtet sind, ein Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen. Deshalb bestehe kein Anspruch auf Initiativrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Eingangshalbsatz BetrVG mehr. Welche Rolle der Betriebsrat bei der Einführung einer Zeiterfassung spielt, können Sie hier nachlesen.
Pflicht zur Zeiterfassung kommt nicht überraschend
Dieses Urteil kommt allerdings nicht überraschend. Bereits im Mai 2019 schrieb der Europäischen Gerichtshof (EuGH) allen EU-Mitgliedsstaaten vor, Regelungen zur Arbeitszeitdokumentation zu schaffen. Ausschlaggebend für das sogenannte „Stechuhr-Urteil“ war die Forderung einer spanischen Gewerkschaft nach einem System zur Arbeitszeiterfassung. Täglich geleistete Arbeitszeit könnte so überprüfbarer gemacht werden. Der EuGH entschied sich dafür, europäische Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in Zukunft ein objektives, verlässliches und zugängliches Zeiterfassungssystem vorzuschreiben, mit dem die tägliche Arbeitszeit erfasst werden kann. Der Gestaltungsspielraum blieb jedoch offen. Das deutsche Bundesministerium hatte also seit 2019 Zeit, klare Regelungen zu formulieren. Die Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts ist dem Gesetzgeber allerdings zuvor kommen.
Wie geht es jetzt weiter?
Nach dem deutschen Arbeitszeitgesetz mussten bisher lediglich Überstunden und Sonntagsarbeit dokumentiert werden, nicht die gesamte Arbeitszeit. Die knappe Pressemitteilung des BAG bietet jetzt Grund zu Missverständnissen. Es fehlt an klaren Angaben und Handlungsempfehlungen. Erst die Entscheidungsgründe werden Klarheit über die Ausgestaltung der Pflicht geben. Für klare Lösungen hofft man auf das Jahr 2023.
Offene Fragen lauten beispielsweise:
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- Welche gesetzliche Normen müssen bei der Zeiterfassung beachtet werden?
- Wie und wann müssen die Arbeitszeiten erfasst werden?
- Welche Unternehmen müssen die Arbeitszeit zukünftig erfassen?
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Eigentlich hätte eine Begründung der BAG-Entscheidung bereits 2022 veröffentlicht werden sollen.
Was muss in Zukunft erfasst werden?
Die viele offenen Fragen bieten natürlich Grund zur Spekulation. Die rechtlichen Vorgaben des Gesetzgebers sind zwar noch unklar, laut EuGH-Entscheidung von 2019 muss die Arbeitszeiterfassung objektiv, verlässlich und zugänglich sein. Einige Punkte, die erfasst werden müssen, stehen jedoch bereits fest:
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- Beginn und Ende der Arbeitszeiten (Dauer der Arbeitszeit)
- Überstunden und
- Pausenzeiten.
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Wer muss keine Arbeitszeiterfassung machen?
Generell sind alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Zeiterfassungspflicht betroffen und müssen diese auch selbstständig führen. Personen in Minijobs waren bisher auch schon verpflichtet Arbeitszeiten aufzuzeichnen. Ausgenommen von der Pflicht sind jedoch leitende Angestellte.
Achtung:Nicht jede Führungskraft ist automatisch eine leitende Angestellte oder ein leitender Angestellter. Bitte prüfen Sie dies deshalb genau!
Arbeitszeiterfassung als Ende der Vertrauensarbeitszeit?
Frei nach dem Motto „Nichts ist sicher, alles ist möglich“ kursieren inzwischen Irrtümer rund um die Entscheidung des Arbeitsgerichts im Internet. Eines davon ist jenes, um das Ende der Vertrauensarbeitszeit. Wie der Name sagt, basiert das Modell der Vertrauensarbeitszeit auf dem gegenseitigen Vertrauen zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden. Es steht nicht die Arbeitszeit im Vordergrund, sondern das Arbeitsergebnis. Ziel ist es also, die Eigenverantwortung und die Produktivität zu fördern. Am Grundsatz der Vertrauensarbeitszeit ändert das BAG-Urteil nichts. Die Arbeitszeit kann, unter Berücksichtigung von Ruhepausen, Ruhezeiten und täglicher Höchstarbeitszeiten, weiterhin frei gestaltet werden, sollten beide Parteien dies so vereinbaren. Die gesetzlichen Arbeitnehmerschutzbestimmungen und das Arbeitszeitgesetz hatten schon vorher ihre Gültigkeit, neu wird lediglich nur die gesetzliche Dokumentationspflicht.
Weitere Irrtümer rund um das BAG-Urteil
„Es dürfen keine Überstunden mehr geleistet werden!“
Natürlich entspricht diese Aussage nicht der Wahrheit. Das neue Arbeitsgesetz schafft lediglich einen neutralen Raum, in dem sich Arbeitnehmende und Arbeitgebende fair begegnen können. Das bedeutet, dass auch Überstunden korrekt dokumentiert und abgegolten werden müssen. Mache Zeiterfassungssysteme bieten zuverlässige Schnittstellen zu den gängigen Lohnabrechnungsprogrammen. So können Überstunden und Zuschläge unkompliziert berechnet werden.
„Die Bürokratisierung ist typisch deutsch.“
Das stimmt so nicht, denn wie die EuGH-Entscheidung zeigt, gilt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bereits in der gesamten Europäischen Union. Lediglich die Gesetzgeber der einzelnen Länder hinken mit der Umsetzung hinterher. Beispielsweise werden in Österreich und der Schweiz Arbeitszeiten bereits erfasst.
„Ein Zurück zur Stechuhr ist unausweichlich.“
Wenn Sie einen Rückschritt befürchten, dann können Sie beruhigt sein. Mit den Änderungen rund um Arbeitszeit- und Arbeitsort in den letzten Jahren, ist eine Anpassung der Arbeitszeitaufzeichnung ein Schritt in die richtige Richtung: Prozesse laufen dynamischer ab und auch die Arbeitszeiterfassung sollte an diese Dynamik angepasst werden. Ein gutes Beispiel hierfür sind Projektarbeiten, bei denen einzelne Arbeitsschritte von verschiedenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ohnehin dokumentiert werden müssen, um einen guten Arbeitsablauf zu gewährleisten. Dies kann mit einer geeigneten Projektzeiterfassung bestens gewährleistet werden. Sie behalten damit den Überblick wer an welchem Projekt wie lange arbeitet. Sie sehen: Vorteile der Arbeitszeiterfassung, finden sich nicht nur für Ihre Beschäftigten, sondern auch für Sie als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber.
Was Sie noch beachten müssen
Sobald es eine Begründung der BAG-Entscheidung gibt, sollten Sie diese genau lesen und für Ihr Unternehmen richtige Handlungsschritte setzen. Die Zeit bis dahin sollten Sie für die Suche nach einem unkomplizierten und nutzerfreundlichen System zur Arbeitszeiterfassung nutzen. Nicht jedes Unternehmen hat dieselben Ansprüche an ein System. Zudem ist nicht jede Zeiterfassung auch für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geeignet. Wenn Sie sich nun fragen: „Wie finde ich die richtige Arbeitszeiterfassung für mein Unternehmen?“, lesen Sie einfach in unserem Blogartikel nach. Behalten Sie dabei unbedingt auch Punkte, wie die DSGVO im Hinterkopf! Selbst wenn Sie bereits ein System in Ihrem Unternehmen verwenden, ist es ratsam zu checken, ob dieses den Vorgaben entspricht und optimale Funktionalität bietet.
Tipp: Die Umstellung von einem analogen auf ein digitales System spart Kosten und Zeit, da die Fehlerquote erheblich minimiert wird.
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